Seit der Offenlegung der mit der EU ausgehandelten Verträge mehren sich äusserst positive Wortmeldungen einzelner Mitglieder des Bundesrates, allen voran der Herren Cassis und Jans, auf dieses Vertragswerk. Vorläufiger Höhepunkt bildet das Interview mit Aussenminister Ignazio Cassis in der Samstagausgabe der NZZ vom 21. Juni 2025. Cassis begründet in diesem die Verträge unter anderem damit, „enge und stabile Beziehungen zu den nächsten Nachbarn“ (als wären sie das nicht heute schon) würden „immer wichtiger“ und das „Kosten-Nutzen-Verhältnis“ sei vor allem durch einen besseren Zugang der Wirtschaft zum EU-Binnenmarkt, eine bessere Stromversorgung, eine gesicherte Forschungszusammenarbeit „und anderes mehr“ positiv. Die Auswirkungen der automatischen („dynamischen“) Rechtsübernahme sowie die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bei der Streitbeilegung werden völlig verharmlost. Angesichts solcher Lobeshymnen scheint es an der Zeit, sich wieder einmal Rechenschaft darüber abzulegen, wie es sich mit der Information der Behörden, Bundesrat und Parlament, im Vorfeld von eidgenössischen Volksabstimmungen verhält.
Nach dem politischen System der Schweiz teilen sich Bundesrat und Parlament in die Staatsführung. Etwas vereinfachend lässt sich sagen, dass der Bundesrat das primäre, kreative Staatsorgan ist, derweil die Funktion des Parlaments in der Staatsführung eine steuernde ist. In der Schweiz kann das Volk nicht nur alle vier Jahre das Parlament wählen, wie dies in rein repräsentativen Demokratien der Fall ist, sondern nimmt durch das Initiativ- und das Referendumsrecht ebenfalls Einfluss auf die Staatsführung und hat insoweit sogar das letzte Wort. Klar ist somit, dass die Information ein wichtiges Instrument der Staatsführung und damit auch für die Regierungspolitik ist. Gemäss Art. 180 Abs. 2 der Bundesverfassung informiert der Bundesrat die Öffentlichkeit „rechtzeitig und umfassend und über seine Tätigkeit, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.“ Der Bundesrat hat somit nicht nur ein Informationsrecht, sondern eine Informationspflicht und diese gelten insbesondere auch für Abstimmungsvorlagen. Die Information muss
aber gemäss der Rechtslehre und auch der Praxis des Bundesgerichts sachlich und ausgewogen sein und darf nicht zur Propaganda verkommen. Konkretisiert wurde die Informationspflicht in Art. 10 a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte. Danach hat der Bundesrat „die Grundsätze der Vollständigkeit, der Sachlichkeit, der Verhältnismässigkeit“ zu beachten und darf nicht eine von der Haltung der Bundesversammlung abweichende Abstimmungsempfehlung vertreten. Daraus folgt, dass der Bundesrat im Abstimmungskampf keine Parteistellung einnimmt und dass er objektiv und unvoreingenommen auch auf mögliche negative Auswirkungen einer Vorlage hinweist sowie allenfalls mögliche Alternativen und deren Vor- und Nachteile darlegt.
Mit Blick auf die institutionelle Anbindung der Schweiz an die EU wäre somit zu erwarten, dass seitens des Bundesrates offen auch auf die negativen Aspekte, insbesondere auf die Beschränkungen der Kompetenzordnung im Bund und in den Kantonen, welche mit der automatischen Rechtsübernahme und der Streitbeilegung verbunden sind, hinweist. Beim Bund besteht die Beschränkung der Kompetenzordnung darin, dass der Bundesgesetzgeber in denjenigen Bereichen, welche Gegenstand der „Bilateralen III“ sind, nicht mehr frei legiferieren kann. Er ist gehalten, entweder neues EU-Recht zu übernehmen, oder die Rechtsübernahme abzulehnen, in welchem Falle die EU „Ausgleichsmassnahmen“ – eine diplomatische Bezeichnung für Sanktionen – erlassen kann. Und was die Kompetenzordnung der Kantone anbetrifft, so könnten diese auch von solchen Ausgleichsmassnahmen
betroffen sein.
Einseitige Stellungnahmen einzelner Mitglieder des Bundesrates, welche
offensichtlich zum Ziel haben, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Urne zu einem JA zu bewegen – notabene zu einem Zeitpunkt da noch ein
Vernehmlassungsverfahren läuft und die Stellungnahme des Parlaments noch nicht vorliegt erfüllen die Voraussetzungen einer vollständigen, sachlichen und
transparenten Information nicht mehr. Sie sind geeignet, die Glaubwürdigkeit des Bundesrates (als Kollegialbehörde), der ja Träger des Informationsrechts und der Informationspflicht ist, anzutasten und damit unseren Institutionen Schaden zuzufügen.

Dr. H. H. Inderkum
Altständerat Kanton Uri (Die Mitte)
Deshalb NEIN zum geplanten EU- Unterwerfungsvertrag. NEIN zu Gessler 2.0!
Wir wollen nicht: GEHORCHEN, ERDULDEN, BEZAHLEN UND SCHWEIGEN.