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Der Gesamtbundesrat muss wieder die Aussenpolitik führen

Zunehmend wird die schweizerische Aussenpolitik von der VBS-Führung gestaltet, welche den NATO-Beitritt unverhohlen unter schrittweiser Beerdigung der Neutralität vorbereitet. Pro Schweiz fordert vom Gesamtbundesrat, dass er endlich das aussenpolitische Heft wieder in die Hand nimmt, das offenbar eingeschlafene Aussendepartement weckt und die verschiedenen Departemente zielführend für eine Aussenpolitik vernetzt, welche die Interessen einer souveränen und neutralen Schweiz als Auftrag vollumfänglich wahrnimmt. Die Armee ist das Mittel der letzten Stunde zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit, aber niemals die Leitschnur für die Ausgestaltung der Aussenpolitik.

Dr. Stephan Rietiker, Präsident Pro Schweiz, Oberst i Gst
Werner Gartenmann, Geschäftsführer Pro Schweizer, Oberstleutnant

Dass eine Korrektur in der Aussenpolitik dringend notwendig ist, zeigt ein Zeitungsinterview mit Frau Bundesrätin Viola Amherd. Sie versucht in einem Gespräch mit dem Tages-Anzeiger vom 30. August 2023 ihre Überlegungen zur Sicherheitspolitik darzustellen. Sie fordert erneut, die Schweizer Armee müsse im grossen Umfang mit der NATO kooperieren, damit sie ihre Verteidigungskraft zurückerhalte. Dafür will sie Schweizer Armeeangehörige vermehrt in NATO-Strukturen entsenden und nebst den unbestrittenen Übungen der Luftwaffe sollen neu terrestrische Gefechtsübungen in NATO-Staaten stattfinden. 

VBS führt die Schweiz in die Beistandspflicht der NATO

Es gelingt ihr im Gespräch nicht, glaubwürdig aufzuzeigen, dass die neutrale und souveräne Schweiz früher oder später in eine Beistandspflicht schlittert, die die Schweiz zwingt, im Krisenfall Schweizer Armeeangehörige in den Kriegseinsatz ausserhalb des eigenen Landes zu schicken. Sie versucht zu erklären, man suche eine für die Schweiz massgeschneiderte Partnerschaft, die es ihr mit einer Opt-out-Klausel erlauben soll, trotz intensiver Einbindung im Ernstfall auszusteigen. Diese Argumentation hat die Chefin VBS bereits bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung für die Beteiligung an der europäischen Luftverteidigung (European Sky Shield Initiative) kommuniziert. Schnell wird klar, dass das Luftschlösser sind. Der Vorwurf der Rosinenpickerei würde zur Realität. Schwerwiegender ist, dass die schweizerische Luftverteidigung de facto der NATO-Oberbefehlsgewalt unterstellt würde. Wenn feindliche Raketen gegen Europa fliegen, wird es keine Möglichkeit geben, sich der NATO politisch und technisch zu entziehen. So wird es logischerweise mit den Bodentruppen erfolgen. 

Ein krasser Denkfehler

Frau Amherd macht einen weiteren Denkfehler. Wenn ein potenzieller Gegner an den Schweizer Landesgrenzen steht, dann ist im NATO-Raum einiges schiefgelaufen. Gerade in diesem Fall wird die Schweiz erst recht auf sich alleine gestellt sein. Das heisst, die Verteidigungsfähigkeit und die Durchhaltefähigkeit der Armee müssen rasch aufgebaut werden, damit die Landesgrenzen unversehrt bleiben, die Bevölkerung und kritische Infrastrukturen geschützt werden können. Sollte dies nicht möglich sein, muss mindestens genau definiertes Schlüsselgelände um jeden Preis verteidigt werden. Statt das Heil im NATO-Verbund zu suchen, muss das VBS endlich die nach wie vor vorhandenen Ausrüstunglücken bei den Kampftruppen beheben. Das Lamentieren in Bundesbern gefährdet die Überlebenschancen der Armeeangehörigen und reift somit langsam zu einem Skandal. 

Falsche Vermischung der Neutralität mit dem Kriegsmaterialgesetz

Frau Amherd streicht mit Blick auf die RUAG-Wirren ihre vermeintliche Kompetenz als Juristin hervor und will die Untersuchung der dubiosen Waffengeschäfte vorantreiben. Es ist höchste Zeit, dass sie den «Rüstungsladen» in den Griff bekommt. Aber als Rechtskundige sollte sie aber unterscheiden können zwischen dem Kriegsmaterialgesetz und der Neutralitätspolitik. Das «Wieder-Export-Verbot» von Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion durch Käuferstaaten hat gar nichts mit der Neutralität zu tun. Die Verschärfung erfolgte aus «pazifistischen, linken» Gründen. Die Änderung des entsprechenden Gesetzes hat auf dem ordentlichen Wege der Legislative zu erfolgen und keinesfalls auf Druck ausländischer Staaten. 

Neutralität ist keine Frage des Images

Die VBS-Vorsteherin erliegt der Gefahr, die Neutralitätspolitik der Schweiz der Launenhaftigkeit des Zeitgeistes und der Wirkung aktueller Ereignisse anzupassen. Die Neutralitätspolitik muss «bei Schönwetter», aber auch bei «Sturm», insbesondere gegen aussen, glaubwürdig die Ernsthaftigkeit und Verlässlichkeit der schweizerischen Neutralität vermitteln. Es geht nicht um Imagepflege, sondern um die Sicherstellung nationaler Interessen. Die Politik der «Differenzierung» des Kerngehalts der Neutralität hat sich in der Vergangenheit nie bewährt. 

VBS führt die politische Diskussion nicht

Es grenzt schon an Zynismus, wenn Bundesrätin Amherd sagt, sie wolle die Neutralität unter anderem mit der Bevölkerung diskutieren. Der in Bern mit Tamtam inszenierte Auftritt vom 7. Juli 2023 mit ihrer Amtskollegin und ihrem Amtskollegen aus Österreich und Deutschland anlässlich der Unterzeichnung der Absichtserklärung für die gemeinsame europäische Luftverteidigung (European Sky Shield Initiative) war in der Schweiz zuerst nur aus österreichischen Medien bekannt geworden. Im Vorfeld fand auf keiner Ebene eine Debatte statt. Der Fall ist klar: Die VBS-Führung arbeitet an einer NATO-Beitritts-Agenda. Die überparteiliche Bewegung Pro Schweiz fordert das VBS und die Armeeführung auf, endlich die altbekannten, dringenden Hausaufgaben zu erledigen, nämlich die vollständige Ausrüstung und Sicherstellung der personellen Ressourcen unverzüglich an die Hand zu nehmen und zwar basierend auf der Definition von Struktur und Doktrin, die sich ihrerseits am Armeeauftrag zu orientieren hat. Pro Schweiz wird mit einem Positionspapier aufzeigen, dass die Armee endlich einen klaren Auftrag braucht, nach welchem sich die Doktrin und Rüstungsbeschaffung zu richten hat. Der eingeschlagene «NATO-Schmusekurs» ist rasch zu korrigieren. Pro Schweiz ruft die Bürgerinnen und Bürger auf, die Neutralitätsinitiative zu unterschreiben, die verhindert, dass in letzter Konsequenz junge Schweizerinnen und Schweizer auf fremden Schlachtfeldern sterben.